AUSSTELLUNGEN

Die Poesie des Urban Gardening

Eine Dokumentation der Ausstellung

Garten in der Stadt – Stadt im Garten

die vom 15.9. bis 30.10. 2014 im Gebäude der VHS Ludwigshafen (Bürgerhof) stattfand

 

 

Grundgedanken

 

Ich unterrichte Englisch an der Volkshochschule Ludwigshafen. Und präsentiere Fotogestaltungen aus dem Museumsgarten. Hat denn das eine mit dem anderen etwas zu tun? Ich meine, ja. Zwei Gedanken möchte ich dazu ausführen, zwei Überlegungen, die ich kurz charakterisieren würde mit „In Verbundenheit wachsen“ und „Vielfalt - und alles zählt!“

           

              IN VERBUNDENHEIT WACHSEN

 

Alle Menschen machen im Mutterleib im Normalfall zwei prägende positive Erfahrungen, die sie ihr Leben lang begleiten werden, als tief verwurzelten Antrieb für ihr Handeln oder als Sehnsucht, wo das Handeln blockiert ist. Es handelt sich um die Grunderfahrungen des Verbundenseins - im Mutterleib auch noch in ursprünglicher, körperlicher Form - und des Wachsens.                                                

 

Verbundensein, Dabeisein, Gemeinschaft erfahren, einerseits und gleichzeitig immer weiter ein Stückchen über sich hinaus wachsen, Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben, diese einbringen und dabei wieder von anderen ein wenig Anerkennung erhalten - das sind Grundbedürfnisse, die sich in jeder Lebensphase neu konkretisieren und von deren Erfüllung ein zufriedenes Leben abhängt. Wohl dem, der Teil eines Gemeinwesens, einer Gemeinschaft ist, welche Rahmenbedingungen anbietet, um solche Erfahrungen machen zu können.

 

In einem Urban-Gardening-Projekt wie dem Museumsgarten existieren solche Bedingungen. Aber auch in meinen Englischkursen erlebe ich bzw. entnehme ich Äußerungen von Lernern, dass ein konstruktives Miteinander dieser Art wohltuend und bereichernd ist.                                                                 

Wenn der Mensch die Rahmenbedingungen erhält, sein Feld gerne und gut zu bestellen, dann kann die Ernte reich sein.

 

VIELFALT - UND ALLES ZÄHLT!

 

In einem Gemeinschaftsgarten wie auch im Miteinander eines gelingenden Unterrichtsgeschehens sollte niemand entmutigt werden, wenn er sich mit dem konstruktiv einbringen möchte, was ihm eigen ist. Wo Haltungen dogmatisch und Umgangsformen diktatorisch sind, wo Monolog statt Dialog und Einfalt statt Vielfalt herrscht, ist wenig Raum für positives Wachsen und konstruktives Entwickeln.                                                                                                                                                                                 

Wenn dagegen das Bunte, Vielfältige, darunter auch das Andere, das Fremde sowie das Kleine, das Schwache Wertschätzung oder zumindest eine Grundaufmerksamkeit und Akzeptanz erfahren, kann vieles Gute entstehen zum Nutzen aller.

Auch die Exponate dieser Ausstellung zeugen davon. Die Vielgesichtigkeit, der Chancenreichtum, das Ideenpotenzial dieses von Lutherturm, Blochskulptur, Hackmuseum , Philharmonie und Arbeitsamt umsäumten Bürgergartens empfinde ich als inspirierend. Ich hoffe, man merkt dies meinen Gestaltungen an.

 

 

Ausstellungsbereiche und Gestaltungsintentionen

 

Während der Ausstellung im VHS-Gebäude unterteilte ich alle Exponate in die folgenden drei Themenbereiche: DAS SCHÖNE - GROSSE GEFÜHLE  - IDENTITÄT.

 

Alle Ausstellungsstücke haben etwas gemeinsam: sie wollen mit Ihnen in Kontakt treten.

                                      

        Ø  Da sind zunächst die, die Sie einfach durch ihre Schönheit ansprechen und erfreuen wollen.

                                                                                                                                                                    

        Ø  Die Gestaltungen des Bereichs „Große Gefühle“ dagegen wollen manchmal mehr von Ihnen. Sie wollen eine Seite in Ihnen zum Mit-Schwingen bringen, so dass Sie im besten Falle ein ähnliches Gefühl in sich finden können. Oder bei Ihnen zumindest ein Schmunzeln, eine Erheiterung, vielleicht ein wenig Erstaunen hervorrufen. Aber – Achtung – wie leicht redet oder schaut man aneinander vorbei… viele Bilder haben sich deshalb entschlossen, zu Ihnen auch durch ihren Bildtitel zu sprechen. Achten Sie also bitte auf die Titel, wenn welche vorhanden sind.                                                                                                                                                            

 

        Ø  Besonders wichtig sind die Titel schließlich bei den Exponaten der dritten Gruppe „Identität – wer bin ich, wo stehe ich heute?“ Es kann da durchaus passieren, dass Ihnen hie und da ein Spiegel vorgehalten wird und – hoppla – Sie sich womöglich darin auch noch erkennen. Diese Exponate sind also dreist genug, Sie aufzufordern, sich mit sich selbst zu befassen. Wenn Sie sich das bieten lassen wollen, dann schauen Sie also einfach ein paar Sachen an und fragen sich dabei „Bin ich das etwa?... Nö!... oder vielleicht doch…?“

 

Praktisch alle der ca. 150 Ausstellungsstücke fanden also ihren Weg in einen der drei Themenbereiche. Bei der Zusammenstellung von Elementen für diese Seite behalte ich die thematische Zuordnung bei.

Die Entstehungsgeschichte und Gestaltungsintention bzw. Bedeutung vieler Exponate erläuterte ich während einer Reihe von Führungen. Später hielt ich diese ausführlichen Erläuterungen in Texten fest. Wenn zu einem Exponat ein Text existiert, habe ich den betreffenden Exponattitel mit drei Sternchen versehen. Der zugehörige Text befindet sich dann am Ende der Bilderfolge, zu der das Exponat gehört. Die meisten Texte entstanden zu Gestaltungen des Themenbereichs "Identität". Dort weise ich nochmals auf Erläuterungstexte und ihre Position hin.

 

Vom Finden in Ruhe zur Gestaltung eines Spektakels

 

Wenn Farbe und Form in einem Augen-Blick eine Beziehung eingehen, die ich festhalten und bewahren möchte, entsteht eine Fotografie. Diese muss eine Pflanze oder einen Gegenstand nicht vollständig erfassen; es genügt ein Ausschnitt, ein Teil des Objekts, das mit anderen Motivteilen in eine Beziehung tritt und dadurch ein neues, größeres Ganzes entstehen lässt.                                                                                         

 

Die Abbildung einer Blume in Frontalansicht, in allen ihren Teilen, empfinde ich oft als langweilig. Das Spannende entsteht in der Begegnung und Verbindung mit anderen Elementen. Ein spielerisches Geschehen ist es, ein Zu-Fallen genauso wie ein gestalterisches Zugreifen. Die Blume, beispielsweise, kann ihre Identität aufgeben, sodass sie als Blume nicht mehr vom Betrachter wahrgenommen wird (dies ist oft der Fall, wenn ich Bildausschnitte herstelle); aber eine Farbe, eine Form, die sie gegeben hat, bleibt aufgehoben im Neuen und das zählt. Das Neue, das gefundene Motiv, muss nicht definierbar sein. Wenn sich Farbe und Form in einem günstigen Augenblick begegnen und der Finger den Auslöser findet, ist alles getan. Das Weitere kann sich im Kopf des Betrachters abspielen. Die entstandene Komposition ist souverän, sie braucht nicht zu rechtfertigen, dass, was einst Pflanze war, nun als Element eines Bildes in Erscheinung tritt, das hie und da an abstrakte Malerei erinnern mag. Oder an eine Installation aus natürlichen und industriell gefertigten Materialien. In den allermeisten Fällen bleibt jedoch leicht erkennbar, um welches Element der realen Umwelt es sich bei dem Abgebildeten handelt.

 

Überraschung, Irritation und dann vielleicht Bereicherung kann auch entstehen, wenn die Gestaltung einen Titel enthält, der abweicht von allem, was in einem Gartenkontext für gewöhnlich erwartbar ist. Was hat ein Stuhlbein vor einer Tonne mit einem Fußballfan im (falschen) Stadionblock zu tun? Woher kommt dieser Harley-Fahrer – war da nicht gerade noch der Schatten einer Pflanze und nichts sonst? Erschreckend, dass sich hier plötzlich Otto Dix´zerfallender Kampfgraben auftut. Und… was ist das? Dumpf dröhnend nähern sich tonnenschwere Schritte… Vorsicht, Godzilla ist in der Stadt! Ja, alles in Bewegung: Die Schlangenbeschwörerin, Freestyle-Tänzer, das Patriarchat (obgleich schwer verwundet), Berta die Kunsträuberin, die MS HackMuse auf großer Fahrt, der fesche Kapitan auf seiner Schwebebahn, nicht zu vergessen die Chorknaben auf ihrem Landausflug und die rote Babette, die mal wieder aus ihrem Ballett tanzt (Tu´s nicht!).

 

Tragisch, wenn ein vielbeiniger kleiner Gartenbewohner, der sich farblich völlig seiner (Blatt)Umgebung anpasst, die Klage führt, er werde nicht wahrgenommen. Im Gegensatz etwa zur leuchtenden Blume nebenan, die sich in der Anerkennung ihrer Anhängerschaft sonnt. Diven anderer Art, Dixsche Diven, mögen dagegen unser Mitgefühl wecken; es darf sich aber in Grenzen halten, dafür sind sie noch zu schön und grazil.                                                                                                  

Und dann die Tragödien zwischenmenschlicher Art: Eine komplizierte Dreierbeziehung, ein letzter Blick zurück, zwei ungleiche Schwestern, Lola, das Showgirl, das an der Copacabana ihren Liebsten verlor und Heinrich, der das Problem hat, dass es seiner Freundin vor ihm graut.         

Goethe also, aber auch Michelangelo, Mick Jagger und andere Götter, Akrobaten, ein Männeken, das abhebt und Ikarus, der (noch) träumt, bevor…

 

Eigentlich mag ich´s ja lieber ruhiger. Geselle mich zu dem Mädchen da in der Mitte oder lass mich nieder bei den beiden Stillleben, dem SchlauchSchattenGewächs und der GeRalfie mit Stock und Hut. Fühle mit der kleinen Sonnenblume, die Vincent sucht; und mit der anderen, der schwachen, die wenig noch hält. Schaue auf das Rad des Lebens, gehe Lebenswege mit, in Gedanken Flugbegleiter, Wolkentango, schwindelfrei?                                                                             

Und dann wirds spannend: ein gewisser Detective Lurch folgt, so hört man, einer heißen Spur in den Museumsgarten. Ob das was mit dem neuen Schmucklädchen zu tun hat? Drama pur auch beim Elfmeterschießen und bei Hanne, der kleinen Kanne, die gerade dehydriert!... Bange Blicke in die Runde – das erste Mal… Tanzstunde; Grusel: Halloween in blauer Nacht. Invasion, finaler Schlag, Warten auf den neuen Tag - keine Angst, weil leise unsre weiße Donna wacht.

 

Eine Welt im Garten. Ein Spektakel. As you like it…

 

Walter Böhmer

 

 

 

Flur 1: Identität - Wer bin ich, wo stehe ich heute?

Kurze Einführung in den Themenbereich „Identität“

Zunächst ist zu sagen, dass viele Motive der gesamten Ausstellung Pflanzen und Dinge zeigen, die (in meiner Vorstellung) wie Menschen agieren und fühlen, manche alleine, andere in Beziehungen zu anderen. Auskunft darüber geben in der Regel die Bildtitel.
Der Themenbereich „Identität“ möchte, mehr noch als die anderen beiden Ausstellungsbereiche, in Kontakt treten zum Besucher, ihn anregen nicht nur zum Mit-Fühlen, sondern auch zum Nachdenken, insbesondere zur Selbstreflexion.
Unter den Exponaten, die ich diesem Themenbereich zuordnete, befinden sich daher viele, die sich mit Veränderung und Entwicklung befassen, mit Ereignissen, die für den Menschen auf seinem Lebensweg besondere Bedeutung haben können. Ein Ausstellungsstück kann eine Art Spiegelfunktion übernehmen, wenn der Betrachter die Bereitschaft mitbringt, sich berühren zu lassen und wenn unter den Gestaltungen eine ist, die ihn anspricht, weil sie einen Inhalt vermittelt, der für den Betrachter persönlich relevant ist. Die ausführliche Bezeichnung dieses Themenbereichs lautet daher auch „Identität – Wer bin ich, wo stehe ich heute?“


BEACHTE: Zu etwa einem Dutzend aller Ausstellungsexponate habe ich einen Erläuterungstext geschrieben. Die allermeisten von diesen Exponaten sind Bestandteil des Themenbereichs "Identität", werden also unmittelbar im Anschluss an diese Zeilen zu sehen sein. Wenn der Titel einer Gestaltung mit drei Sternchen *** versehen ist, existiert zu dieser eine Erläuterung. Alle Erläuterungstexte sind jedoch nicht direkt bei ihrem Exponat platziert, sondern finden sich kompakt im Anschluss an die Bilderfolge dieses Themenbereichs.



HIER NUN DIE ERLÄUTERUNGEN zu den Exponaten, die mit drei Sternchen gekennzeichnet sind:


***Erläuterungstext zu "Wohin?"


Das Ausstellungsstück mit der zentral platzierten Kernfrage “Wohin?“ beinhaltet eine Reihe von Elementen, die charakteristisch sind für die Gestaltung und Intention des Themenbereichs „Identität“. Die angeschlossenen Fragen zur Selbstverortung „Wer bin ich heute? Wie ist meine Situation? Wo ist mein Platz? Wohin führt mein Weg?“ usw. finden hier gestalterisch auf sehr konkrete Weise einen Ausdruck. Das Grundgerüst, auf dem Bilder und CD aufgebracht sind, ist als eine Art Wegweiser konstruiert, der in alle vier Himmelsrichtungen bzw. - je nach Sichtweise - nach oben, unten, links und rechts zeigt. Alles ist möglich - oder doch nicht? Im Zentrum befindet sich eine Scheibe, eine CD, die vor allem als Spiegel dienen soll, da sich der Betrachter in ihr erkennen kann und dadurch den Hinweis erhält, dass hier auch seine persönliche Situation thematisiert werden könnte. Weitere Assoziationen zur Scheibe: Alles ist in Bewegung, dreht sich, ist im Rollen...


Die Frage „Wohin?“, das Sich-entscheiden-Müssen zwischen Optionen ist dauerhaft aktuell. In Anknüpfung daran formuliere ich eine weitere Assoziation: Eine Neuorientierung ist möglich, aber nicht unendlich; die Optionenvielfalt, das Einschlagen von neuen Wegen ist begrenzt, so begrenzt - darauf wies ein Besucher hin - wie die Kapazität des Speichermediums. Des Weiteren wurde von Besuchern folgende Idee geäußert: Die CD ist die Erde (sie weist auch verschiedenfarbige Flächen auf, je nach Lichteinwirkung), um die die Flugzeuge auf den Bildern kreisen.


Damit zu den Flugzeugen, den Hauptprotagonisten des Exponats. Zunächst eine kleine Geschichte zu den Originalen. Aus Holz und wenige Zentimeter groß nur, tauchten zwei kleine Flugzeuge, mit Fäden an Pflanzen hängend, eines Tages im Garten auf. Da mir nahezu jede Ecke in jenen Monaten von Foto-Spaziergängen recht gut vertraut war, entdeckte ich die Neuankömmlinge sehr rasch. Sie gefielen mir auf Anhieb sehr gut, was dazu führte, dass ich eine Reihe von Aufnahmen machte. In den folgenden Wochen und Monaten erging es den beiden kleinen Gartenbewohnern wie so manchen davor und danach: eines Tages waren sie nicht mehr an ihrem Platz. Und das bedeutet normalerweise, dass sie - in welcher Absicht auch immer - mitgenommen wurden oder dass sie Wettereinflüssen zum Opfer fielen. Manche kehren wieder, an einer anderen Stelle meist, manche bleiben verschollen.
Als ich Monate später einmal dabei war, meine Würfelinstallation zu reparieren, trug ein plötzlicher Windstoß ein abgelegtes, kleines Papierabfall-Blättchen davon. Ich folgte ihm mit den Augen, dann mit den Händen, was nicht einfach war, weil es direkt unter einer großen Holzpalette landete. Was ich dann mit langem Arm unter dem Holz herausfischte, war das Papierchen ... und ein großer Teil eines zerbrochenen kleinen Flugzeugs, welches ich sofort wieder erkannte. Nun bewahre ich es, es ist mir lieb und teuer.


Von der geborgenen konkreten Materie noch einmal zurück zur Symbolik und Poesie des Exponats. Die Flugzeuge stehen für Bewegung, für das Unterwegssein auf Wegen des Lebens. Wohin geht die Reise? Nach oben, wie auf dem linken Bild, ins Offene, Weite, einem Himmel zu, der allerdings keine Sonne beherbergt in diesem Moment? Oder geht es in die Nacht, rechts unten, in niedriger Höhe gleitend, ins Ungewisse etwa? Das Bild ist mit dem darüber liegenden Exponatarm nur mittels eines Fadens verbunden. Am angenehmsten scheint die Reise durch das Bild oberhalb der Mitte zu sein; über lebendiges Grün, ohne Turbulenzen, wie es scheint.


Abschließend noch ein allgemeines Wort zur Spiegelsymbolik. Mit Spiegeln zu arbeiten ist mir wichtig. Die Psychologie kann Dinge erklären, die nur sie schlüssig erklären kann. Dann ist es nötig, dass der Mensch in den Spiegel schaut, was vielen unerträglich anmutet. Ich weise darauf hin, versuche zu erklären. Das Spiegelthema wird außer im vorliegenden Exponat bei meiner Würfelinstallation im Hack-Garten und im Ausstellungsstück Wandel II direkt thematisiert. Indirekt tritt es auch bei anderen Gestaltungen, wie etwa „face2face“, „Amygdala“ und „Selbst“ in Erscheinung.



***Erläuterungstext zu "Wandel I"


Das erste von drei Ausstellungsstücken mit der Bezeichnung „Wandel“ (es folgen noch Wandel II + III) zeigt ein Bild-Paar, das beim Betrachter etwas Ratlosigkeit hervorrufen kann. Mir erging es so, als ich das untere der beiden Motive zum ersten Mal auf dem Foto-display sah. Es ist eine der nicht wenigen Aufnahmen, bei der ich die Kamera etwa in Kniehöhe hielt und von unten nach oben fotografierte. Das Ergebnis ist immer eine Mischung aus gewollter Motiv-Fokussierung und kalkuliertem Zufall. In diesem einen Fall erschien ein Gebäude, dessen Identität ich lange nicht klären konnte. Überraschend auch, welch reizvolle Farbenspiele die Fenster des Gebäudes aufweisen.


Wichtig ist mir auch hier der Symbolgehalt der Abbildung. Ich sehe darin zunächst ein untergehendes Gebäude; eine zweite Assoziation geht aufgrund der Fenstergröße und -position in Richtung eines Flugzeugrumpfes oder Luxusdampfers, die beide im Versinken begriffen sind. Analoge Erfahrungen machen Menschen auf ihrem Lebensweg. Auch hier also das Angebot, die Frage an den Betrachter: Berührt dich dieses Bild? Falls ja: Berührt es dich vielleicht deshalb, weil ein Lebensabschnitt schmerzhaft / verlustreich geendet hat oder gerade endet? Eine Beziehung vielleicht oder eine Hoffnung?


Vielleicht befindest du dich auch in einer Phase des Umbruchs, die eher davon geprägt ist, dass dir Orientierung schwerfällt und Ratlosigkeit vorherrscht, Selbstpositionierung vonnöten ist. Dann spricht dich möglicherweise das obere Motiv stärker an. Es lässt sich nicht klar definieren, wie die dort abgebildeten Dinge genau beschaffen sind (ein buntes Windrad offenbar, welches eigenartig unrund erscheint), welche Stimmung eigentlich vorherrscht (da sind erhellende Sonnenstrahlen, doch auch ein sich dunkelblau einfärbender Himmel) und was da zwischen mutmaßlichem Windrad und Himmel sichtbar wird. Die (räumliche) Position des Betrachters - schaut er eher von oben, von unten oder aus gleicher Höhe auf das Bildelement im Vordergrund? - ist ebenfalls nicht eindeutig bestimmbar. Viele Fragezeichen also, unübersichtlich die Lage, etwas geheimnisvoll manche Elemente. Wie in deinem Leben?


***Erläuterungstext zu "Wandel II"


Eine große Platte in Form einer Sanduhr, auf die eine Reihe von Bildern mit Sonnenblumenmotiven aufgebracht ist.  Im Fokus also der Faktor Zeit, genauer: die Vergänglichkeit des Lebens. Auf ihrem Lebensweg durchlaufen  Menschen, die hier von Sonnenblumen vertreten werden, verschiedene Phasen; einige davon werden aufgezeigt, erkennbar anhand der Titel zu jedem Bild.
Im oberen Bereich herrschen Lebenskraft, Kontakte, Elan, Geschäftigkeit, Erfolg, Zielstrebigkeit vor (Titel: „Begegnung auf hohem Niveau“, „Auf gute Nachbarschaft“, „Volle Kraft voraus“).
In der Mitte, einer Übergangsphase, setzen Nachdenklichkeit, Selbstreflexion („Es erfordert Mut, in den Spiegel zu schauen“) ein. Dies geschieht übrigens an der Stelle der Sanduhr, durch die der Sand vom oberen in den unteren Bereich fließt.
Im unteren Bereich geht es zwar auf das (Lebens)Ende zu, doch gibt es auch dort Ansätze zu einem guten, versöhnlichen, Leben: die „Dixschen Diven“ unten links muten zwar überlebt, abgeschlafft an, doch sind sie (wie die alten Frauen, darunter Huren in Otto Dix´ Werken) nicht ohne Würde dargestellt. „Halt mich“ (unten rechts) bittet der erschöpfte Mensch, und wenn es einen gibt, der dieser Bitte nachkommt, dann magdas Abschiednehmen etwas leichter sein.
Identität – wo stehe ich heute, was ist meine Situation, wohin möchte ich gehen?


***Erläuterungstext zu "Wandel III"


Wie schon bei „Wandel II“ hebe ich den wichtigen Aspekt der Zeit gestalterisch hervor, indem ich in der Mitte des Exponats eine reale Sanduhr integriere. Sie stammt aus einer seit Jahren nicht mehr in Betrieb genommenen Haussauna und ist auf eine (dem Betrachterauge verdeckte) hölzerne Drehvorrichtung aufgebracht, die es ermöglicht, die Sanduhr samt der vier Bilder in beide Richtungen einschränkungslos zu drehen.


Die vier Bilder sind so positioniert, dass immer jeweils zwei in richtiger Lage betrachtbar sind, während die beiden anderen jeweils auf dem Kopf stehen. Die Verhältnisse kehren sich um, sobald man das Ganze um 180 Grad dreht. Symbolisch wird dabei vor Augen geführt, dass im Laufe der Zeit sich Dinge wandeln und dabei Situationen sich sogar in ihr Gegenteil verkehren können. Letzteres kommt vor allem durch die vier Bildmotive zum Ausdruck.


Da sind einerseits Protagonisten, die auf der „Sonnenseite des Lebens“ stehen (auf den Bildern oben links und rechts, beide Motive stehen auf dem Kopf). Ihre Gegenstücke (in der vorliegenden Drehposition: unten links und rechts) zeigen dagegen Figuren, die leiden. Oben links lässt sich ein Star von seinen Anhängern feiern. Oben rechts springt ein zungenähnliches Gebilde (weißes längliches Blatt, das herabhängt) ins Auge, das mich an das Logo der Rolling Stones erinnert. Unten links sehe ich das ehemalige Showgirl Lola aus dem Song Copacabana von Barry Manilow. Sie konnte den frühen Verlust ihres Geliebten nie verwinden und hat nun, im Alter, den Verstand verloren. Eine andere Lebenstragik beklagt das kleine Tier auf der rechten Seite. Es hat seine Körperfarbe dem Grün des Blattes angepasst, um nicht gesehen zu werden. Genau dies (vergleiche Bildtitel „Seufz ... keiner beachtet mich“) missfällt ihm nun sehr.


Solange sich die Erde dreht, solange der Mensch in Bewegung ist, können sich Verhältnisse und Situationen ändern. Beachte dies, falls du dich in einem der Protagonisten bzw. Situationen wiederfindest.


Hier die Bildmotive im Einzelnen:


Her name was Lola, she was a showgirl… (Barry Manilow)
Star und Fans
Mick Jagger Fans
Seufz … keiner beachtet mich


***Erläuterungstext zu "Schlemihl"


Mein „Schatten-Bild“ ... möchte uns eine Geschichte erzählen:


       Es war einmal ... ein Mensch mit Namen Schlemihl, und den sprach einst einer an, ob er ihm nicht seinen 

       Schatten verkauft, er wär alsbald ein reicher Mann!
       Schlemihl willigt ein und erhält einen Beutel voll Gold zum Lohn.


       Ja, ich denk, ich tat einen guten Tausch, sagt sich unser Schlemihl alsdann, ich kaufe mir Schloss und Gut  

       und Hof, was fang ich schon mit einem Schatten an?


       Schlemihl zieht in ein fernes Land, kauft sich Schloss und Gut und Hof und er findet auch eine Frau, die er 

       heiraten möchte.


        Und er ging zu seiner Geliebten Haus, sprach „Willst du mich nehmen zum Mann?“ –

        und was hat die Frau geantwortet ?
        „Drei Tage Bedenkzeit bitt ich mir aus, bevor ich ja sagen kann!“


        Tja und dann ... die Sonne schien auf seine Gestalt und ohne Schatten stand er da! – „Niemals nehme zum  

        Manne ich dich, ohne Schatten bist du auch der Seele bar!“


        Ja, in der Tat, Schlemihl hat seinen Schatten verkauft und dabei seine Seele verlorn. Danach hat man   

        niemals mehr von ihm gehört und niemand weiß mehr, dass er einst geborn. Ja, danach hat man niemals 

        mehr von ihm gehört und niemand weiß mehr, dass er einst geborn.


(Angelehnt an ein Lied der Gruppe „Ougenweide“, basierend auf „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“, 1813, von Adelbert von Chamisso. Die kursiv gedruckten Teile singe ich beim Vortrag.)



*** Erläuterungstext zu "Lebenswege"


Das hängende Objekt „Lebenswege“ möchte berühren und ermutigen. Es erzählt ein Stück einer persönlichen Lebensgeschichte, einer gelungenen Entwicklung, einer Überwindung von bedrückenden Lebensumständen hin zu einer besseren Zukunft.


Auf einem meiner Spaziergänge im Garten sah ich einmal ein Buch auf einem Tisch liegen, das offenbar jemand dort zurückgelassen hatte. Die Neugier ließ mich darin blättern, bis ich einen handschriftlichen Eintrag am Buchanfang entdeckte:


„Wir sind dankbar, einigermaßen heil an der Seele nun anders leben zu dürfen, frei – ohne Diktatur! Herzlich...“


Dann folgten zwei mir unbekannte Namen. Diese bemerkenswerten Worte beschäftigten mich. Ich verfügte zu diesem Zeitpunkt über ein Foto, das ich einmal anderswo im Garten aufgenommen hatte und das eine auf dem Boden liegende, bläulich schimmernde Feder zeigte. Diese Feder sah ich nun als Schreibfeder an, sie sollte zusammen mit dem handschriftlichen Fundstück ihren Weg in das hier beschriebene Ausstellungsstück finden.


Der obere Exponatteil zeigt ein Gartenmotiv, ein buntes Windrad, das man als „Rad des Lebens“ bezeichnen könnte. Im Hintergrund, über dem Rad, öffnet sich ein weiter Himmel sinnbildlich dafür, dass die (menschliche) Reise weitergehen kann in freie, unbegrenzte Gefilde. Links und rechts wird das Bild umsäumt von aus Karton gestalteten Treppenstufen, die den (beschwerlichen) Aufstieg zu einem besseren Dasein symbolisieren. Die Stufen weisen unterschiedliche Formen auf, was andeuten will, dass Lebenswege (sehr) unterschiedlich und individuell sind und doch zum Besseren, zur konstruktiven Weiterentwicklung führen können.


***Erläuterungstext zu "Selbst"


Das Ausstellungsstück „Selbst“ zeigt ein Bild in sechzehn Varianten. Diese unterscheiden sich nur durch ihre Farben; der Bildinhalt, die Formen bleiben gleich. Eines der sechzehn Bilder stellt das Originalfoto dar, die anderen sind Verfremdungen davon, erzielt durch Bildbearbeitung.


Warum „Selbst“?


In der Psychologie existieren die beiden Begriffe „wahres Selbst“ und „falsches Selbst“. In einem falschen Selbst lebt ein Mensch tragischerweise oft dann, wenn er, aufgrund destruktiver Einflüsse durch seine wichtigsten frühen Bezugspersonen gezwungen war, immer wieder seine ureigenen, vitalen, natürlichen Bedürfnisse zu unterdrücken. Die Folge kann sein, dass er diese eigenen Bedürfnisse kaum oder gar nicht kennenlernt. Er lebt dann bedauerlicherweise in einem falschen Selbst, lebt an sich vorbei, überfordert sich beispielsweise immer wieder, weil er seine Grenzen nicht kennt, da diese ständig missachtet wurden. Viele fühlen sich nicht in sich zu Hause, suchen verzweifelt Anerkennung, Spiegelung, suchen sich.


Nicht in dieser extremen Form, aber in graduellen Abstufungen betrifft das jeden Menschen.


Das Exponat möchte den Betrachter fragen: Welches Bild ist real, welches nicht? Kannst du das Reale erkennen? Vermagst du dich wahrzunehmen, so wie du eigentlich (deinen wirklichen Bedürfnissen entsprechend) bist?


***Erläuterungstext zu den beiden Exponaten "So nah" und "Ikarus´ Traum"


Die beiden Ausstellungsstücke „Ikarus Traum“ und „So nah“ wurden zusammen positioniert, weil sie Ähnliches versinnbildlichen: dass Erfolg und Scheitern nahe beieinander liegen können.


Das Exponat „So nah“ wird dominiert von phantasievollen, vielfarbigen großflächigen Gestaltungen aus Wolle, die einen Teil des Gartenzauns bedecken und ob ihrer Schönheit und Ausdruckskraft Wohlbehagen beim Betrachter auslösen. Im unteren Bildbereich leicht zu übersehen, vergleichsweise klein und etwas verschwommen das Kontrastelement: farbige Scherben eines Gegenstands, vermutlich eines Gefäßes. Das Leuchtende, ausgebreitet, um die Welt zu erfreuen, und - so nah daneben, darunter - das Zerschellte, kaum mehr wahrzunehmen.


Ikarus (symbolisiert durch die Sonnenblume) träumt davon, sich der Sonne zu nähern. Die schwarze Spitze der Stele, des höchsten Punktes der Erde unter ihm, hat er schon (weit) unter sich gelassen, er kommt seinem Ziel näher und näher, schon hat das intensive Licht der Sonne seine gelb-orangenen Blütenblätter erfasst, mit denen er sehnsuchtsvoll nach dem leuchtenden Himmelskörper ausreicht. Die Sonne selbst ist nicht zu sehen, nur der intensive Schein, der den rechten Bildbereich ausfüllt. Was wird nun geschehen? Gelingen? Erfüllung? Scheitern? Verderben? Wer ist dieser Ikarus? Wonach strebt er eigentlich, was treibt ihn an? Was befindet sich denn da, nicht sichtbar und doch offenbar so anziehend, in der rechten Bildhälfte? Ist das alles real? Ein Traum? Ein Albtraum?



***Erläuterungen zu "Ludwigshafen, dein Gesicht"


Im Zentrum des Bildes
Im Herzen der Stadt
Schau Ludwigshafen, dein Gesicht.


Gestaltende Hände
Erde, Wasser und Saat
Hoffnung, Zuversicht, Tat
viel Geduld, manche Pflicht.


Nach und nach
will es wachsen
in Gemeinschaft aufgehn
integrieren, inkludieren, manches auch
alleine stehn.


Es bewegt sich ringsumher.
Es belebt sich stetig mehr:


Schau mal hier, was ich male!
Hallo … auch da … na wie geht´s?
Rigatoni – prego – noch ne Schale!
Das Saxophon? da drüben steht´s
Der erste Auftritt…
ganz schön nervös…
…wird schon werden - und vom Erlös
kauf uns guten Wein!
Jetzt warten die Kinder ... Achtung ...Vorhang auf!
Eine Kamera läuft, das Team ist gut drauf.


Von Kugeln, die rollen und Würfeln, die schweben
von Kindertollen und Bienenleben
von riesigen Zwergen und Menschen auf Töpfen
von staunenden Köpfen vor Wasserkunstwerken
von Rosen, die blühen
Matrosen und Schiffen
von Stiefeln, die zieren
und niemals marschieren
von Vögeln, die leuchten in Mittsommernacht
von alldem hab ich was mitgebracht.



***Erläuterungstext zu "Wie es entsteht"


Die komplexe Gestaltung „Wie es entsteht“ lässt sich, von unten nach oben betrachtet, in drei Ebenen einteilen.


Den unteren Bereich füllt ein Bild aus, dem der Betrachter entnehmen kann, wie interessant und vielfältig die Umgebung des Hack-Museumsgartens ist. Von links nach rechts sind hier zu erkennen: eine Fahne des Deutschen Filmfestivals (Filmkunst), der Lutherturm (Glaube, Religion), weiße Blumen (Natur), ein Windrad (Gestaltungskraft des Menschen, Kreativität), die Bloch-Skulptur (Philosophie). Die in Klammern genannte Elemente des gesellschaftlichen und persönlichen Lebens sind – und das möchte dieses Exponat auf einer allgemeineren Ebene vor Augen führen – Teile der Bindungsangebote, der kulturellen Einflüsse, die uns umgeben und aus deren Zusammenwirken Neues entstehen kann.

Im unteren Bildbereich geht von jedem Bildungselement eine aus Punkten bestehende Linie aus, die ihre eigene Farbe besitzt und den oben angesprochenen Einfluss symbolisiert. Die Zuordnung der Linienfarben zu den Elementen ist zufällig.


In der Bildmitte treffen diese Einflusslinien aufeinander, vermengen sich und werden zum Ausgangspunkt für Neues;
die Linien, welches sich in nun gemischten Farben aus der Mitte heraus nach oben bewegen, zeigen dies an.


Das neue Entstehende, findet sich im großen oberen Bildbereich. Oben, weil es das Zukünftige ist, das sich auf der
Grundlage des bestehenden Vergangenen und Gegenwärtigen entwickelt. Was beinhaltet das Erneuerte? Was bedeutet das „es“ im Exponattitel „Wie es entsteht“?


Der Titel wurde bewusst so vage formuliert, weil das „es“ Platzhalter für vieles sein kann. Im Kontext des Ausstellungsthemas „Garten in der Stadt – Stadt im Garten“ ist hier zunächst die Gemeinschaft der Gärtner und Gärtnerinnen zu erwähnen, die das Urban-Gardening-Projekt durch ihre individuellen Beiträge zu einem gelungenen Gesamt(kunst)werk werden ließ und läßt. Gemeinschaftliches Zusammenwirken manifestiert sich dabei nicht nur im permanent Sichtbaren, weil materiell Gestalteten, sondern auch in den regelmäßigen und unregelmäßigen Aktivitäten im Garten.


Jenseits des Gartengeschehens kann „es“ beispielsweise für Kreativität stehen. Etwas Neues kann kreiert werden, wenn im Gehirn verschiedene Areale gleichzeitig aktiviert werden. Wenn Inhalte in einer Weise verknüpft werden, wie es vorher nicht der Fall war. „Es“ steht daher auch für konstruktiven Fortschritt, konstruktive Entwicklung.


Die kleinen Motive im oberen Bereich des Exponats können als Ergebnisse kreativen Gestaltens angesehen werden. Eine besondere Rolle kommt dabei jeweils den Bildtiteln zu. Sie erst lassen die Gestaltungsintention erkennen, sie entschlüsseln das jeweilige Motiv aus der Sicht des Gestalters. Wenn dann beispielsweise ein vom Motiv her eher unscheinbares Bild den Titel „Lichttropfen“ erhält, entsteht etwas Neues als Resultat des Zusammenwirkens zweier Begriffe, die eigentlich nicht zusammen gehören: Licht + Tropfen. Ich konnte diese Wortverbindung gestalten und dem Bildmotiv zuordnen, weil ich zuvor Bildungsinhalte erfahren, Denken in Analogien und Metaphern üben durfte. Das Exponat insgesamt kann daher auch aufgefasst werden als ein „Statement“ für Bildung, für Vielfalt der Kulturen, Individuen, Ideen und den vielfältigen Nutzen, der aus dem Zusammenwirken aller Elemente erwachsen kann.

Flur 2: Große Gefühle

Flur 3: Das Schöne

Foyer-Wand, Vitrine, einige der Steh-Objekte

***Erläuterung zu Objekt "Wabenhaus (Honey for my lyrics - lyrics for my honey)"


Wie „Beziehungskisten und -kästen“ ist auch dieses Objekt interaktiv und aus funktionslos gewordenen Gegenständen des Alltags gestaltet. Das bewegliche Schachtelgehäuse ist dem Abfallbehälter eines Supermarkts entnommen; das sich horizontal über dem „Wabenhaus“ erstreckende „Firmenschild“ wurde angefertigt aus Verschnittresten zweier anderer Exponate.
Was sich hinter der Bezeichnung „Firmenschild“ verbirgt, kann der Betrachter dem blau unterlegten Text in der Mitte des „Schildes“ entnehmen. Links und rechts davon erscheinen zwei Teile einer Aufnahme, die ich von einem Bienenhaus machte, welches eine Schulklasse mit allerlei bunten Bastelmaterialien angefertigt hatte.


Der blau unterlegte Text lautet:

"Seit Jahrtausenden eine Erfolgsgeschichte: DAS WABENHAUS DER FAMILIE HONIGSÜSS Jetzt in modernem Outfit, ausgestattet mit state-of-the-art-Technologie. Fit für eine Welt im Wandel.
Das brandneue Modell: HONEY FOR MY LYRICS – LYRICS FOR MY HONEY Export-Import"


Davor, auf dem Dach des Wabenhauses, befindet sich ein weiteres, kleineres Informationsschild, das sich direkt an den Besucher wendet:

WANDERER,
kommst du zum Wabenhaus
zögere nicht
schreib ein Gedicht
leg es hinein
den Honig steck ein
(aber nur einen…)


Es freut mich, dass dieser Einladung tatsächlich eine Reihe von Besuchern gefolgt ist. Sie schrieben also einen kleinen Zwei-oder sogar Vierzeiler auf einen Zettel, der samt Stift bereitgelegt wurde, rollten das kleine Papier zusammen und banden es mit einem der ebenfalls zur Verfügung gestellten Gummiringe, legten es in eine Wabenöffnung und entnahmen dafür ein kleines, von Frühstücksangeboten in Cafes bekanntes (und entnommenes) Honigdöschen. Export – Import eben. Ein Tauschgeschehen, das alle glücklich macht: Honig bekomm ich für meine Verse, meine Verse schreib ich für meine(n) Geliebte(n) (Honey for my lyrics - lyrics for my honey). Eine Besucherin lieferte sogar ein Gedicht nach, einige Tage später in den häuslichen Briefkasten. Toll.

***Erläuterungstext zu Objekt "Lyrik-Bäumchen"


Auch hier zuerst der Hinweis, den ich wiederum gerne gebe: Nahezu alle bei dieser vielteiligen Gestaltung verwendeten Elemente lagen zum Teil seit Jahrzehnten unbeachtet in Keller oder wurden vom Bürgersteig aufgelesen als Relikte einer Geschäftsaufgabe. Für mich nicht nur eine Kostenersparnis, sondern ein Stück gelebter Politik („Schau, was man damit noch machen kann“). Außerdem macht es Freude einen abgelegten Gegenstand umzufunktionieren, ihm eine neue Identität, eine neue Aufgabe zu geben.


Das „Bäumchen“ ist ein Saxophon. Genauer gesagt, ein CD-Halter. Ausrangiert. Aber wunderschön. Stilprägend zusammen mit den anderen schwarzen Gegenständen (Uhren-, Schmuckhalter und Metronom) sowie den weißen Elementen (nicht mehr verwendete kleine weiße Schachteln aus Pappe, ein Bildertransportrahmen aus Styropor, eine kleinformatige Leinwand, darauf eine kleine Derwisch-Figur). Schwarz und weiß wie die Tasten eines Klaviers; dazu ein paar Farb-Töne in Form von Bildmotiven aus dem Garten, welch wiederum ihre jeweiligen Gedicht-Partner mitgebracht haben.Hier die Elemente im Einzelnen:


Die Lyrik des „Bäumchens“ enthält Gedichte (links oben: „Landausflug der Chorknaben“, darunter auf dem Metronom-Zeiger: „...es sei denn, es gibt Lebertran“), die ich jeweils zu einem bestimmten Gartenmotiv geschrieben habe. Insgesamt existiert eine gute Handvoll solcher Foto-Gedicht-Paare, zwei davon wurden hier integriert. Dabei ist es kein Zufall, dass das Bild, welches den feschen Kapitan auf seiner Schwebebahn zeigt, auf dem Zeiger des Metronoms aufgebracht ist, denn: aktiviert man das Metronom, pendelt der Zeiger mit dem Bild hin und her, gerade so, wie sich auch der Kapitan mit seiner Schwebebahn (in meiner Vorstellung) bewegt.


Das zweite mobile Element des Lyrik-Bäumchens befindet sich auf dessen rechter Seite. Was wäre ein Derwisch, der sich nicht dreht? Dieser tut es (er steht auf einer kleinen Batterie-betriebenen Drehscheibe) und zeigt dem Betrachter dabei, was für ihn und für mich wesentlich zum Museumsgarten gehört: Muse und Kunst. Beide durch die Drehbewegung abwechselnd präsentierten Wörter, sind fotografisch dem Schriftzug „HACKMUSEUMSGARTEN“ entnommen, welcher lange Zeit den Gartenzaun großflächig zierte (siehe Bilder anbei).


                        Originalbilder vor der Weiterverarbeitung in Collagen