Worum es mir geht

 

 

Aus einem Platz, den man aufgrund seiner Tristheit gerne zügig durchschritt, ist ein Ort geworden, von dem eine Anziehungskraft ausgeht: Der „hack-museumsgARTen“.

 

Der Initiator des Museums, Wilhelm Hack, hätte seine Freude daran gehabt. Nach seiner Vorstellung sollte das seinerzeit neu entstehende Ausstellungsgebäude ein Ort der Begegnung werden. Begegnungen finden im „Hackgarten“ auf vielfältige Weise statt, zwischen Menschen, zwischen Mensch und Natur, zwischen Kunst, die der Mensch geschaffen und solcher, die die Natur unseren Sinnen bietet. Mensch, Natur, Kunst – die hier zusammengestellten Fotos und Texte sind Zeugen von Begegnungen vor allem der beiden letztgenannten Elemente.

 

Still ist es oft, wenn diese Bilder entstehen, wenn man ohne zielgebundene Geschäftigkeit unterwegs ist und sich höchstens eine Neu-Gier einstellt, der Wunsch nämlich, immer wieder Neues zu entdecken, einen weiteren Blick zu erhaschen von etwas, das man so nicht erwartet hat, das Freude macht und einen manchmal auch staunen lässt. Von Entdeckungen erzählen die Fotos, sie wollen diese festhalten, bewahren, um andere daran teilhaben zu lassen: Schau… hast du das schon gesehen… wenn man es von dieser Seite betrachtet…

 

Es geht um Farben und Formen. Um Schauen, Fühlen und Bejahen. Wenn Farbe und Form in einem Augen-Blick eine Beziehung eingehen, die ich festhalten und bewahren möchte, entsteht eine Fotografie. Diese muss eine Pflanze oder einen Gegenstand nicht vollständig erfassen; es genügt ein Ausschnitt, ein Teil des Objekts, das mit anderen Motivteilen in eine Beziehung tritt und dadurch ein neues, größeres Ganzes entstehen lässt. Die Abbildung einer Blume in Frontalansicht, in allen ihren Teilen, empfinde ich oft als langweilig. Das Spannende entsteht in der Begegnung und Verbindung mit anderen Elementen. Ein spielerisches Geschehen ist es, ein Zu-Fallen genauso wie ein gestalterisches Zugreifen. Die Blume, beispielsweise, kann ihre Identität aufgeben, sodass sie als Blume nicht mehr vom Betrachter wahrgenommen wird (dies ist oft der Fall, wenn ich Bildausschnitte herstelle); aber eine Farbe, eine Form, die sie gegeben hat, bleibt aufgehoben im Neuen und das zählt. Das Neue, das gefundene Motiv, muss nicht definierbar sein. Wenn sich Farbe und Form in einem günstigen Augenblick begegnen und der Finger den Auslöser findet, ist alles getan. Das Weitere spielt sich im Kopf des Betrachters ab. Die entstandene Komposition ist souverän, sie braucht nicht zu rechtfertigen, dass, was einst Pflanze war, nun als Element eines Bildes in Erscheinung tritt, das hie und da an abstrakte Malerei erinnern mag. Oder an eine Installation aus natürlichen und industriell gefertigten Materialien. In den allermeisten Fällen bleibt die Identität des Abgebildeten jedoch gewahrt und leicht erkennbar.                                                        

 

Keines der Motive wurde für die Aufnahme arrangiert, das ist mir wichtig. Dieser Ansatz gründet in meinem Bedürfnis, hier eine andere Haltung einzunehmen als jene, die wir uns in vielen Lebensbereichen zu Eigen machen, wenn wir andere und anderes funktionalisieren, manipulieren, an ihnen zerren und ziehen, sie er-ziehen, besonders Kinder und andere, die eigentlich eine konstruktive Beziehung benötigten.                               

 

Der Garten birgt viele Metaphern, steter Wandel ist eine davon. Manches eben Erblickte und Festgehaltene wird morgen anders sein oder verschwunden. Einige dieser Dinge existieren fort auf meinen (und anderer) Fotografien.  

Vor allem aber wollen die Bilder einladen, zu verweilen und genau hinzusehen, was kreative Hände und die Natur an faszinierenden Pflanzen-Ensembles, kleinen und großen Collagen, liebreizenden Gestaltungen aller Art geschaffen haben. Der Bilderreichtum dieses Gartens ist grenzenlos, die Vielfalt faszinierend. Besonders gefällt mir, was sich da alles tummelt im Halb-Verborgenen, kleine Figuren etwa, und was sich oft nur entdecken lässt, wenn man sich sozusagen auf Augenhöhe mit ihm begibt. Man spürt, hier ist so manches eine Herzensangelegenheit…

Was an kreativen Ideen mittlerweile Formen und Farben angenommen hat, ist beeindruckend. Ich möchte es vergleichen mit gelungenen Verszeilen eines Gedichts. Auch da finden Form und Inhalt in einer Weise zueinander, die dem, der sie vernimmt, Momente der Inspiration und des kleinen Glücks schenkt.

 

Garten-Poesie… in ungezählten Versen. Und Woche für Woche kommt ein neuer hinzu.

 

                                             Walter Böhmer